Nicht nur die Armee, sondern auch die Feuerwehr setzt auf ein Milizsystem. Soviel wusste ich. Dass ich selber eigentlich feuerwehrpflichtig wäre, und jährlich eine Abgabe zahle, um ihr zu entgehen, nicht so richtig. Vor ein paar Wochen kam ich in einem kleinen Dorf am Vierwaldstättersee zufällig an einem Feuerwehrmagazin vorbei, an dessen Tor der Einsatzplan der örtlichen Feuerwehr hing. Dieser beinhaltete nebst regelmässiger Übungen auch zahlreiche soziale Anlässe, nicht nur für die Feuerwehrleute, sondern auch für ihre Familien. Das hat mich beeindruckt. Seither stand die Feuerwehr auf meiner Liste der Dinge, von denen ich zu wenig weiss. Diese Woche habe ich mich ein bisschen vertieft, und unter anderem Folgendes herausgefunden:
- im Kanton Bern gibt es 145 Feuerwehren mit rund 10’000 freiwilligen Feuerwehrangehörigen
- als Freiwillige*r in der Feuerwehr nimmt man jährlich an 10 - 15 obligatorischen Übungen teil
- in Frage für den Feuerwehrdienst kommen 25 - 38jährige, die Deutsch sprechen (zwecks Verständigung im Ernstfall), und die verschiedene Gesundheitstests bestehen
- bei jedem Ernstfall werden zu viele Feuerwehrleute aufgeboten, so dass man ablehnen kann, wenn man zum Beispiel gerade arbeitet oder Kinder betreut
- der Frauenanteil in der Feuerwehr beträgt schweizweit etwa 10%. Die Anzahl Frauen ist in den letzten Jahren eher gestiegen, während der Männeranteil kontinuierlich gesunken ist. Viele Feuerwehren haben ein Nachwuchsproblem
Der oben erwähnte Einsatzplan machte offensichtlich, dass die Feuerwehr nicht nur Brände löscht, sondern für eine Gemeinschaft, ein Dorf, auch andere wichtige Funktionen übernimmt. Man leistet etwas. Man hebt aber auch einen zusammen, man spricht miteinander, und man fühlt sich zugehörig. Eine Studie des GDI von 2018 über Freiwilligenarbeit in der Schweiz bestätigt, wie wichtig das ist:
Die Zivilgesellschaft ist unverzichtbar für das Funktionieren der Schweiz. Vereine, gemeinnützige Organisationen und informelle Netzwerke übernehmen wichtige gesellschaftliche Aufgaben und Verantwortungen. Die Zusammenarbeit der Bürger hat auch viele positive Nebeneffekte. Die freiwillige Vernetzung der Gesellschaft ist ein soziales Schmiermittel und die Grundlage für das Funktionieren von Markt und Staat. So ist in Gemeinden mit hoher Vereinsdichte das Vertrauen zwischen den Menschen grösser, die Wirtschaft wächst stärker und es gibt weniger Vandalismus als in Gemeinschaften mit wenigen Vereinen.
Um mehr zu erfahren, habe ich diese Woche mit Lukas Frei gesprochen. Er lebt seit Jahren in Köniz und ist seit bald drei Jahren in der Feuerwehr. „Wänn’s lütet und tschäderet git’s Arbeit“, sagt Führwehrmaa Sämi in der TV-Serie. Ich habe Lukas gefragt, wie denn diese Arbeit genau aussieht.
Lukas, was geht in dir vor, wenn ein Alarm hereinkommt?
Man bekommt ein Alarmsheet, auf dem in etwa steht, worum es geht. Alarme werden unterteilt in weniger schlimme Alarme. Man sieht, ob etwas stark brennt, oder nur wenig. Je nachdem ist man mehr oder weniger auf Nadeln. Grundsätzlich geht mir schon durch den Kopf, hoffentlich klappt alles, hoffentlich sind wir schnell genug, und hoffentlich sind keine Menschen beteiligt. Das Adrenalin schiesst schon ein. Das merke ich, wenn ich das Haus verlasse. Das geht ratzfatz, und ich lasse alle Türen offen. Alles dreht sich nur noch darum, so schnell wie möglich ins Magazin zu kommen.
Hast du deine Kleidung zuhause oder im Magazin?
Ich habe eine Dienstuniform zuhause, die wir aber nur selten brauchen. Die Brandschutzausrüstung ist im Magazin. Die ist sehr schwer. Damit könnte man nicht Velo fahren.
Wie ist es bei den Übungen, die alle zwei Wochen stattfinden – da gibt es sicher eine soziale Komponente?
Ja, sicher. Bei mir war das eigentlich nicht die Hauptmotivation. Mich interessierte das Technische, das Handwerk, und dass man helfen kann. Dass ich etwas für die Gemeinde tun kann, in der ich wohne. Das Soziale hat sich danach ergeben – es ist natürlich cool, man lernt unterschiedlichste Menschen kennen. Man kennt sich, und man weiss, dass man im Ernstfall für die Kollegen alles macht.
Etwas für die Gemeinde tun – was meinst du damit?
Ja, ich hatte daran schon länger herumstudiert. Andere geben Fussballtrainings, oder stellen eine Pop-up Bar auf die Beine, wo sich Leute im Quartier treffen können. Ich dachte, ich könnte eigentlich auch so etwas machen.
Findest du, es gehört dazu, dass man sich ein bisschen engagiert?
Schon, ja. Ich fände es eigentlich fast frech, wenn ich einfach von allem profitieren könnte, was hier geboten wird, und nichts dazu beitrage. Es beruhigt mich, dass ich nun eine Funktion habe, die mir Freude macht und die für mich stimmt. In der Politik könnte ich zum Beispiel nicht mitmischen. Das wäre mir zu anstrengend (lacht).
Wird ein Einsatz nachbereitet? Spricht man über das, was passiert ist?
Da sehe ich noch Potential. Grundsätzlich ist es schon so, dass man nach einem Einsatz noch zusammensitzt und ein bisschen miteinander redet. Und wenn es wirklich hart auf hart kommt, dann wird genau hingeschaut. Wenn Todesfälle oder schwerste Verletzungen passieren, wird man von externen Leuten betreut, es gibt dann ein Careteam.
Gibt es Einsätze, die dir besonders in Erinnerung geblieben sind?
Schön sind immer die Einsätze, wo man jemandem helfen kann. Grosse Brände bleiben einem schon im Kopf. Vor einer Weile gab es einen Einsatz, wo das ganze Erdgeschoss gebrannt hat. Die Flammen kamen zu den Fenstern heraus. Das war schon eindrücklich.
Was machst du, um diese Eindrücke zu verarbeiten?
Es ist unterschiedlich. Wenn es nur um Materialschaden geht, gibt es für mich nichts zu verarbeiten. Tragisch wird es für mich dann, wenn es Verletzte gibt, oder wenn man damit rechnen muss, dass jemand nicht überleben wird. Dann ist es für mich sehr wichtig zu erfahren, wie der Verlauf ist. Was mit diesen Menschen passiert, und ob es wieder gut kommt.
Ganz grundsätzlich – ist für dich die Feuerwehr eine Art Ausgleich zu deinem Alltag?
Auf jeden Fall. Es ist sehr spannend. Egal ob es eine Übung ist oder ein Ernstfall, man taucht jedesmal in eine andere Welt ein. Wenn man die Uniform anzieht und mit Blaulicht und Sirene ausrückt, ist man wie in einem Film. Und daraus kommt man erst wieder hinaus, wenn man nach dem Einsatz im Magazin wieder die eigenen Klamotten anzieht.
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„Hesch d WBK?“
Im Ernstfall muss es schnell gehen – auch beim sprechen! Lukas hat mir gesagt, dass man in der Feuerwehr quasi in Abkürzungen spricht, und mir ein paar davon verraten:
AdF = Angehörige*r der Feuerwehr
EL = Einsatzleiterfahrzeug
TLF = Tanklöschfahrzeug
WBK = Wärmebildkamera
Hier gibt es noch einige mehr!