Abathar Kmash ist Musiker, Komponist und Musikpädagoge und lebt seit 2016 in München. In Syrien war er als freischaffender Musiker tätig und hatte eine eigene Musikschule mit vielfältigem Fächerangebot und einem Orchester für begabte Mädchen. Er plant, nächstes Jahr in München eine Musikschule zu gründen für orientalische Musik – als Anlaufstelle und auch als Heimatort für kulturell entwurzelte Menschen aus aller Welt.
Abathar, woran arbeitest du musikalisch gerade?
Ich arbeite und studiere gleichzeitig. Ich unterrichte Oud, Cello und arabische Musiktheorie an der Musikschule und studiere im Master Weltmusik an der Universität Hildesheim, wo ich ebenfalls Oud unterrichte. Hier in München habe ich mehrere Bands und spiele auch als Orchestersolist, zum Beispiel mit der Bayrischen Philharmonie oder dem Philharmonischen Orchester Cottbus.
Du lebst seit sechs Jahren in Deutschland und studierst Weltmusik – hast sich deine Musik in den letzten Jahren verändert?
Ja natürlich! Auf jeden Fall. Ich habe sehr viele Stile kennen gelernt, zum Beispiel auch balkanische und griechische Musik, auch deutsche Musik, und Jazz. Alles Mögliche. Ich lerne auch immer mehr Instrumente, zum Beispiel Klarinette als Zweitinstrument an der Uni. Das schätze ich sehr. In meinem Ensemble spielt neben mir aus Syrien ein Perkussionist aus Deutschland, ein Klarinettist aus Moldawien, ein Kontrabassist aus Venezuela, eine Cellistin aus Bonn, und manchmal ist auch Hackbrett dabei.
Weisst du schon, wie es nach deinem Studium weitergeht?
Ich bereite mich darauf vor, eine Musikschule zu gründen – das wäre mein Plan. Das Projekt ist vorbereitet und fertig geplant. Aber man weiss aktuell ja nicht, was passieren wird.
Wird es eine Musikschule für Kinder?
Es geht um eine orientalische Musikschule für alle Menschen. Es gibt viele Leute hier in München, aber natürlich auch überall in Europa, die ihre Heimat verloren haben. Zum Beispiel die Menschen aus der Türkei, die in den 60er Jahren wegen der Arbeit kamen, oder die aus dem Irak, die 2003 wegen dem Krieg kamen, und ab 2011 die aus Syrien wie ich, die auch wegen dem Krieg angekommen sind. Sie alle haben ihr kulturelles Erbe zurückgelassen. Sie brauchen die Musik aus ihrer Heimat eigentlich, aber es gibt sie hier nicht. Ihre Kinder wachsen in einer anderen Kultur auf und vergessen diesen Teil ihrer Geschichte. Mit meiner Musikschule möchte ich dazu beitragen, dass diese vielfältige orientalische Musik gepflegt und weitergegeben wird.
Wie war es für dich als Musiker, als du in Deutschland angekommen bist – sind Menschen auf dich zugekommen?
Ich hatte Glück. Nach zwei Wochen hat eine Frau mich und meinen Freund zufällig gesehen und uns auf meine Oud angesprochen. Sie hat gefragt was das für ein Instrument sei und uns eingeladen zu einem Tanztheater, wo ein Gitarrist Weltmusik spielte, auch ein arabisches Stück auf der Oud. In der Pause hat er uns gefragt, woher wir sind und ob wir Musik studiert haben, und uns dann im zweiten Set spontan auf die Bühne eingeladen. Danach gründeten wir ein Quartett und nahmen CDs auf. Die Hälfte der Leute die damals im Publikum sass, sind jetzt gute Freunde von mir. Es hat sich herumgesprochen, dass wir da sind, viele haben mich angerufen und wir haben gemeinsam Projekte gegründet und gespielt.
Wie war deine Situation als Kulturschaffender in Syrien?
Es ist sehr schwierig, ein grosses Durcheinander jetzt. Schon früher war es schwierig, Musik zu machen, vieles lief unter dem Tisch. Ich hatte dort eine Musikschule und ein Mädchenorchester gegründet, mit lauter motivierten Schülerinnen im Alter von 8 bis 17 Jahren, die viel übten. Die Mädchen mögen einfach mehr üben und sind motivierter, während die Jungen mehr Spass haben möchten (lacht). Wir hatten zum Beispiel ein Projekt, wo jede ein Stück schreiben musste für ein Konzert, mit unserer Unterstützung natürlich. Diese Stücke habe ich dann für das Orchester arrangiert, und wir buchten ein grosses Theater für ein Konzert. Das war unglaublich, die Kinder haben wie Profis gespielt. Ich war sehr stolz auf sie! Sie sind jetzt alle schon erwachsen – vier von ihnen sind an der Hochschule und unterrichten, sie leben von der Musik.
Wann wurde dir klar, dass du Syrien verlassen musst?
Im Dezember 2015 war die letzte Chance für mich. Ich hatte nur eine Woche Zeit, sonst wäre ich in die Armee eingezogen worden, wo ich statt eines Musikinstruments eine Waffe hätte tragen müssen. Als Erstes ging ich in den Libanon. 2015 war die letzte Chance für mich. Ich hatte nur eine Woche Zeit, sonst wäre ich in die Armee eingezogen worden. Als Erstes ging ich in den Libanon. Über meine Flucht möchte ich nicht sprechen. Im ersten Jahr, als ich in Deutschland war, habe ich viele Konzerte gespielt, und es wurde immer mehr über meine Flucht gesprochen als über meine Musik. Das ist schon ok, aber es ist ein Problem, wenn es zu viel wird. Ich habe ein neues Leben hier, ich bin Musiker. Ich möchte nicht, dass man immer nur nach der Flucht fragt. Das erzeugt bei mir viel Druck, und es tut weh.
Das kann ich gut verstehen. Es tut mir leid, das zu hören.
Darf ich dich fragen, ob du Musikerfreunde hast, die noch in Syrien sind? Möchtest du etwas dazu sagen?
Ich habe noch einzelne Freunde. Aber sie planen wegzugehen bei der ersten Möglichkeit, die sich bietet. Man kann dort nicht weiterleben. Die meisten meiner Freunde sind überall auf der Welt verteilt.
Viele Musiker*innen, die ich kenne, fragen sich, was sie für die Gesellschaft tun können. Was denkst du? Was kann man machen?
Als Musiker*innen können alle etwas anderes machen. Ich denke, die Musik kommt schnell zu den Menschen, sie erreicht und berührt sie. Man kann aktiv mithelfen, man kann Musikunterricht geben, und Musiker*innen suchen, die neu angekommen sind, und mit ihnen Musik machen. Das ist eine Chance – man kann viel von ihnen lernen. Ich versuche selber zu machen, was ich kann. Hätte ich ein Haus, würde ich es zur Verfügung stellen.